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Urs Leodolters Pelikan

Retroday 2025 -Urs Leodolter stellt eines seiner Exponate aus: PELIKAN, eine Konstruktion von Bruno und Emil Giezendanner aus dem Jahre 1966. Der Schweizer Willi Böni hat für Urs Museum das Flugzeug in liebevoller Kleinarbeit gebaut.

Hier der original Bericht der Giezendanner Brüder aus 1966:

Trotz des relativ hohen Standes der radiogesteuerten Akrobatik – Fliegerei gibt es immer noch zahlreiche Mehrkanalflieger, die beim Bau ihrer Modelle den Zufall als Mitarbeiter sozusagen für die Lösung wichtiger Konstruktionsprobleme stets zur Seite haben. Je nach Lust und Laune wird abgeändert, verbessert oder gar hochtrabend „modifiziert“. Einmal bringt man sein Modell mit Vor-, ein anderes Mal mit Rückwärtspfeilung, einmal mit, einmal ohne oder negativer V-Form.

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Der stolze Erbauer, Willi Böni und Urs Leodolter

Wer es aber wagen sollte, den betreffenden Konstrukteur nach dem Grund der plötzlichen Umstellung von parallelen Flächen auf Trapeze zu befragen, bekommt entweder eine höchst unorthodoxe, persönlich gefärbte „Strömungslehre“ zu hören oder aber er wird so mitleidig angeglotzt, als hätte er eben gefragt, weshalb denn die Bananen krumm seien. Damit mir aber nicht all diejenigen Modellbauer, welche ihr Hobby in der beschriebenen Art betreiben, geradewegs den Krieg erklären (was ihnen übrigens nichts nützen würde, da ich nicht unter Waffen stehe und ausgesprochener Pazifist bin), bin ich bereit, für sie eine Lanze zu brechen.

Einmal mag es gewiss vorkommen, dass derartige Spielereien (natürlich viel Erfahrung vorausgesetzt) sogar zum Erfolg führen können, wobei, wie gesagt, der Zufall stets ein nicht unwichtiges Wörtlein mitzureden hat; dann hat aber auch das Probieren als technische Spielerei einen ganz besonderen Reiz, welchen kein Modellflieger missen sollte.

Wer jedoch in der „Hohen Schule“ des Modellflugs bessere Leistungen erringen möchte und dabei gar noch „nebenamtlich“ einen Beruf ausübt, wird kaum Zeit finden, sich mehr als gelegentlich seinem Einfallsreichtum hinzugeben, um dauernd neue Prototypen zu schaffen.

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Er wird viel eher bei seinem bewährten Modell bleiben — sei dies nun eine Eigenkonstruktion oder ein im Handel erhältliches — und im unermüdlichen Training nach und nach die Eigenschaften seiner Maschine kennenlernen, was ihm neben Routine und Sicherheit auch zu einem ausgeglichenen Leistungsmaß verhilft.

Natürlich wird auch der Akrobatikflieger nicht darum herumkommen, sein Modell, mit meist geringfügigen Abänderungen, jeweils dem neuesten Stand der Steuerungstechnik, den Anforderungen des FAI-Programmes und anderen Vorschriften anzupassen.

Diese Spezialisierung auf ein Modell hat noch den weiteren, wichtigen Vorteil, daß es sich lohnt, für Fläche und Rumpf je eine präzise Helling zu bauen und für die Einzelteile Schablonen aus Karton herzustellen, was nicht nur die Anzahl der Arbeitsstunden pro Modell ganz gewaltig reduziert, sondern auch dem Zufall vollends den Hals umdreht — auf der Helling sauber gebaute Modelle fliegen auf Anhieb — und auf gewaltsames „Trimmen“ mit Holzraspel und Bleiklumpen verzichten läßt. Sollte nun da und dort jemand meinem für Modellflieger schrecklich allgemein gehaltenen Geschreibe bis hierher gefolgt sein, wird er die grundsätzlichen Gedankengänge, wie sie zur Konstruktion des PELIKAN 64 geführt haben, eher verstehen können.

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Was man wissen möchte

Der PELIKAN 64 wurde speziell für die Wettbewerbsfliegerei der Klasse RCMM (mehrachsgesteuerter Akrobatikflug) konstruiert und bildet den Abschluß einer Entwicklungsreihe über vier Tiefdeckermodelle, ohne Nebenäste, deren Weiterentwicklung zum Teil eingestellt, zum Teil noch offen liegt. Als technische Einzelheiten sind gepfeilte Flügelvorderkante zu erwähnen, die verlustarme aerodynamische Schränkung (welche schon von Gustav Sämann mit Erfolg angewandt wurde) und nicht zuletzt die außerordentlich leichte Konstruktion.
Dies sind die Hauptmerkmale des PELIKAN, welche sich von Anfang an bis zum neuesten Modell durchgesetzt haben und zweifellos dazu beitragen, daß er sich auch in der für Europa neuen Ära der RC-Akrobatikfliegerei— Proportionalsteuerung und neues FAI-Programm — bestens zu bewähren scheint. Doch davon später.

Technische Daten:
Spannweite: 1,620 m
Rumpflänge: 1,36 m
Gesamtfläche: 49,32 qcm
Gewicht: 2500 bis 3200 g
Motoren: 8 bis 10 qcm
Fernsteuerung: 8 bis 12 Kanäle

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Die Tragfläche
Der Aufbau des PELIKAN ist einfach und leicht gehalten. Für die Tragfläche wurde auf die so viel gerühmte „Schäumerei“ samt Furnier und Kontaktklebern verzichtet, da wir immer wieder mitansehen müssen, wie stabile Styroporflächen bei Abstürzen aus großen Höhen ebenso bis zur Unkenntlichkeit zermalmt werden wie unsere Balsaflügel. Sauber gebaute Balsaflächen sind erstaunlich stabil, verwindungsfest und erst noch leicht. Außerdem wurde der PELIKAN zum Fliegen und nicht für Stürze gebaut. Wer für seine Fliegerei noch unbedingt sogenannte bruchfeste Flügel benötigt, tut überhaupt gut daran, vorläufig auf die Teilnahme an Akro-Meisterschaften zu verzichten.

Der Bau der Fläche beginnt mit dem üblichen Ausschneiden der Rippen und endet mit dem Anbringen von Nasen- und Endbeplankung. Diese Bauweise bringt überhaupt keine Probleme mit sich, hält sie sich doch an die konventionellen Verbindungsarten von Rippen und Holm, Rippen und End- bzw. Nasenleiste. Zu beachten ist lediglich, daß der eigentliche Balsaholm mit zwei durchgehenden Kiefernleisten verstärkt wird, was natürlich den Aufbau der Fläche an „einem Stück“, auf einer Helling voraussetzt. Die Helling wird aus zwei hundertprozentig planen Brettern hergestellt, welche, auf einer ebenso planen Unterlage aufgebaut, dem Flügel die erforderliche V-Form verleihen.

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Bruno Giezendanner 1965, er flog damals eine Tipp-Tipp Anlage

Die an jeder Rippe zugegebene, durch die Schränkung bedingte Auflage kann auch durch zwei konische Leistchen, welche auf der Helling unter die Rippenenden zu liegen kommen, ohne weiteres ersetzt werden. Jene sechs Rippen, welche die genuteten Fahrwerkbalken aufnehmen müssen, und der Holmzusammenstoß sind mit leichtem 2-mm- bzw. 3-mm-Sperrholz zu verstärken. Das Runden der Nasenleiste mit einem „David-Hobel“ verlangt etwas Fingerspitzengefühl; wer ganz sicher gehen will, hobelt eher weniger und schmirgelt nachträglich den Nasenradius. Auf Randbogen irgendwelcher Art verzichten wir zugunsten gerader Abschlußrippen.

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Urs Leodolter mit seinem Pelikan

Der Rumpf
Der Rumpf wurde in einer einfachen Kastenbauweise gehalten wie etwa bei „Orion“, „Taurus“ etc. Dreikantgurte und ein 10-mm-Deckbrett gstatten, den Rumpf oben stark zu runden. Diese Dreikantleisten werden auf die fertig ausgeschnittenen und verstärkten Rumpfseitenwände aufgeleimt.

Der Zusammenbau kann auf zwei bewährte Arten geschehen:

a) Auf einem geraden Brett in Rückenlage, wobei der Rumpfgrundriß zuerst aufgezeichnet wird. Die richtige Höhe der Spanten sichert man sich mit entsprechenden Unterlagen. Die Spanten sollen auf alle Fälle mit kleinen Nägeln fixiert werden, um einen symmetrischen Rumpfaufbau zu gewährleisten. Dann werden die Seitenwände mit Zwingen an die Spanten gepresst.
Das Rumpfende lassen wir vorläufig parallel, es erhält seine endgültige Form erst mit dem Einleimen des hinteren Bodens.

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b) Wer den Rumpf in Normallage aufbauen will, muß sich aus einem Balken (Tanne) auf der Bandsäge eine genaue Helling ausschneiden. Nach dem Aufzeichnen des Rumpfgrundrisses heften wir dann den hinteren Boden sowie den mit Sperrholz verstärkten, quergefaserten Vorderboden mit feinen Nägeln auf die Helling. Jetzt können alle drei Spanten am entsprechenden Ort verleimt werden. Das Anbringen der Seitenwände bietet jetzt keine besonderen Probleme mehr.

Das Zudecken des Rumpfes und anschließendes Runden geschehen zuletzt. Der Flansch für das Bugfahrwerk hingegen wird schon vor dem Zusammenbau mit dem Motorspant verschraubt. Höhen- und Seitensteuer werden in der bekannten Art aufgebaut und bringen jedem, der schon amerikanische Modelle gebaut hat, nichts Neues. Natürlich können diese Stabilisierungsflächen auch in anderer Manier hergestellt werden. Viel wichtiger scheint mir, daß das Höhensteuer parallel zur Flügelauflage verläuft und das Seitenruder senkrecht auf dem Höhensteuer steht.

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Flügelbefestigung
Beim Anpassen des Flügels an den Rumpf ist unbedingt darauf zu achten, daß die EWD nicht verändert wird. Befestigt werden die Flächen mit den in Amerika schon lange bekannten „Camlocs“. Diese Art der Flügelbefestigung wurde bei uns von Bernhard Huber erstmals beschrieben („modell“ Nr. 9/64) und auch erfolgreich angewendet. Rumpf und Flügel sind damit starr verbunden, was ebenfalls relativ saubere Landungen voraussetzt. Selbstverständlich kann die Fläche auch anders befestigt werden; ich denke dabei an Nylon- und ähnliche vibrationssichere Schrauben oder aber an die gut bewährten, treibstoff-glitschigen Gummibänder.

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Schlußarbeiten
Über das Bespannen von Flugmodellen wurde schon so viel geschrieben, daß es auf jeden Fall eine Wiederholung sein würde, sollte ich diese Arbeitstechnik genauer beschreiben. Wir bespannen unsere Modelle (Fläche und Rumpf) mit Japanpapier und verwenden den amerikanischen Fuller-Spannlack und Fuller-Farben. Für Pilot und Punktrichter wirken leuchtende Farben wie Gelb, Orange und Rot recht angenehm. (Akro-Flieger halten übrigens ihre Bemalung einfach und zweckmäßig, da sie ja schließlich keine Papageienzüchter sind.) Ruder bespannen wir nicht. Wir schleifen sie fein, cellophanieren und bemalen sie.

Erst jetzt befestigen wir die Ruder mit Kunststoffscharnieren oder nähen sie an. Zum Schluß versehen wir das Modell mit einem treibstoffestem, glasklaren Kunstharzlack.
Als Bugfahrwerk verwenden wir die handelsüblichen Federbeine aus 4-mm Stahldraht, möglichst ohne Stoßdämpfer und anderem Krimskrams. Wer eine Hartbelagspiste benützen kann, schätzt ein lenkbares Bugrad und eventuell Bremsen; für Wiesen aber und Kartoffeläcker ist solches unsinnig. Das Hauptfahrwerk wird aus 3-mm Klaviersaitendraht am Schraubstock zurechtgebogen und mit Alubriden in den Nuten des Fahrwerkbalkens festgehalten. Auf keinen Fall dürfen wir für die Fahrwerkbeine am Flügel 4-mm-Stahldraht verwenden, denn damit würden wir bei Landungen auf Gras die Fahrwerkbalken zu stark beanspruchen.

Das Drosselgestänge wird in einem Metall- oder noch besser Kunststoffrohr geführt. Bei Proportionalsteuerungen muß darauf geachtet werden, daß die Verbindung von Motor und Gestänge über ein Kunststoffverbindungsstück, z. B. „Ny-Link“, geschieht, um Vibrationsstörungen zu vermeiden, welche mit Vorliebe dann auftreten, wenn Metall auf Metall reiben kann.
Gemischtverstellung ist eine edle Sache und bewährt sich gut; wer jedoch seinen Motor am Boden nicht sauber einstellen kann, wird diesen „Begabungsmangel“ schwerlich ferngesteuert kompensieren können.

Die Fernsteuerung wird so in den Rumpf eingebaut, daß der Schwerpunkt an die richtige Stelle rückt (natürlich mit montiertem Motor und Schalldämpfer), was mir vernünftiger scheint, als Empfängerbatterie und Bleiklötze ans Seitensteuer zu schrauben.

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Einfliegen
Haben wir den PELIKAN genau nach Plan aufgebaut, stimmen Schwerpunkt und EWD und ist die Fläche nicht verwunden, bietet das Einfliegen keinerlei Probleme mehr. Eine Piste wird sich für den Erststart natürlich vorzüglich eignen. Mit dem eingeflogenen PELIKAN können wir selbstverständlich aus jeder gemähten Naturwiese starten. Mit einem 10-ccm-Motor benötigt der PELIKAN eine erstaunlich kurze Startstrecke. Auf der Piste reichen 20 bis 25 m normalerweise aus.

Auf unebenem Rasen müssen wir mit einer Startstrecke von 30 bis 40 m rechnen, wobei wir nach ca. 20 m bereits leicht zu ziehen beginnen, um das Bugrad zu entlasten und damit die Reibung herabzusetzen.

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Bruno Giezendanner 1965, er flog damals eine Tipp-Tipp Anlage

Das Landen wird mit dem PELIKAN sehr leicht gemacht. Bei gedrosseltem Motor fliege man in weiter Anflugschleife auf sich zu. Fliegt das Modell dabei zu sehr angestellt, stoße man leicht nach oder umgekehrt.

Mit etwas Übung läßt sich der PELIKAN bei Windstille derart langsam aufsetzen, daß selbst „alte Hasen“ immer wieder staunen müssen. Die Ausschwebegeschwindigkeit liegt dann nicht viel höher als die Marschgeschwindigkeit eines Mannes. Diese minimalen Start- und Landegeschwindigkeiten erlauben uns, mit dem PELIKAN wirklich überall zu fliegen, Eigenschaften also, die uns, als wir noch keine Piste zur Verfügung hatten, sehr zugute kamen. Wir waren damals, besonders zur Sommerszeit, auf jedes gemähte Feld angewiesen und durften nicht besonders wählerisch sein. Wer aber schon versucht hat, mit 100 Sachen auf einer holprigen Naturwiese aufzusetzen, wird davon ein Liedchen singen können. Was wir benötigen war daher ein Modell, das auch in überzogener Fluglage nicht abkippt, das heißt, auch bei langsam angeströmtem Flügel noch relativ stabil fliegt. Diese Eigenschaften wurden durch die Pfeilung der Fläche und der aerodynamischen Schränkung ohne Zweifel erreicht. Auch das kleine Fluggewicht trägt zur tiefen kritischen Geschwindigkeit bei.

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Natürlich werden durch die Aufgabe als Akrobatikmodell der Stabilität Grenzen gesetzt. So erweist sich ein zu stark gepfeiltes Modell als überstabil und bereitet dem Fliegen gewisser Figuren zum Teil unüberwindbare Hindernisse.

Trotz des geringen Fluggewichts hängt der PELIKAN auch bei stärkeren Winden ruhig und stabil in der Luft. Beim Rückenflug verhält er sich ausgesprochen gutmütig und tut der Theorie, daß Modelle mit symmetrischen Flächenprofilen auf dem Rücken besser zu fliegen seien als solche mit halbsymmetrischen, ganz gewaltig Abbruch. (Dies wurde übrigens von Ed Kazmirsky schon lange bewiesen.) Die Spekulation von gleichen Flugeigenschaften in Rücken- und Normallage bleibt, wie gesagt, nur Theorie und beweist einmal mehr, daß ein Flugzeug nie nach solchen Einzelheiten allein beurteilt werden darf, sondern daß die Gesamtkonzeption als Zusammenwirken vieler Einzelheiten betrachtet werden muß. Die Rückenflugeigenschaften hängen demnach nicht vom Profil allein ab, ebenso entscheidend haben dabei auch die EWD, die V-Form, Pfeilung, Rumpfquerschnitt, Lage des Schwerpunktes (Hoch- oder Tiefdecker) mitzureden.
Das geringe Fluggewicht erwies sich vor allem in den letzten Jahren als sehr vorteilhaft, da 1965 in der Schweiz erstmals der Schalldämpfer für regionale und nationale Meisterschaften als obligatorisch erklärt wurde. Auch für die „geflogene Rolle“ (5 Sek. Dauer), wie sie das neue FAI-Programm vorschreibt, bewähren sich leichtere Modelle sehr gut.

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Der PELIKAN ist für den Einbau einer Proportionalsteuerung bestens geeignet und öffnet dem erfahrenen Akro-Piloten ein riesiges Feld an neuen Möglichkeiten; dem Kunstfluganfänger aber wird sie manches erleichtern, da durch diese Steuerungsart das fliegerische Gefühl besser angesprochen wird.

Text: Gebr.Giezendanner

Fotos: Johanna Huang, Burkhard Erdlenbruch

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